Darm und Mikroflora
Der Darm
ist ein Organ der Superlative und steht im Zentrum der wichtigsten
Leben erhaltenden Prozesse: Das allermeiste, was der Mensch seit
Geburt aufnimmt, wird durch den Darm aufgenommen. 30 Tonnen Nahrung
und über 50.000 Liter Flüssigkeit werden im Laufe eines Lebens
konsumiert. Mit bis zu 8 Metern Länge und einer Oberfläche von fast 300
Quadratmetern ist er das weitaus größte Organ unseres Körpers. Pro Tag
verdaut er bis zu 2 Kilogramm Nahrung. Seine Oberfläche besteht aus
Milliarden von Zellen. Sie sorgen dafür, dass der Organismus die
Stoffe zugeführt bekommt, die er zum Aufbau und für seinen
Energiebedarf benötigt. Oft machen es die Lebensumstände schwer,
sich bei wenig Stress richtig zu ernähren, so dass der Garant für
einen gesunden und leistungsfähigen Organismus, ein stabiles
Abwehrsystem, eine regelmäßige Verdauung und die Produktion
lebensnotwendiger Vitamine, Mineralstoffe und Proteine ins Schwanken
geraten kann. "Der Tod sitzt im Darm" wusste schon der griechische
Arzt Hippokrates vor über 2.400 Jahren. Kaum ein anderes Organ des Körpers beeinflusst
unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden so unmittelbar wie der Darm.
Leider meldet er nicht sofort, was ihm Probleme macht, sondern
präsentiert die Rechnung oft erst nach Jahren mit dem Auftreten
entzündlicher Darmerkrankungen, dem Reizdarmsyndrom, mit
Fettstoffwechselstörungen, Diabetes oder Krebs.
Besonders anfällig
für Störungen ist die Darmflora mit ihren rund 400 verschiedenen
Mikroorganismen in einer Anzahl von über 100 Billionen (zehnmal mehr
als der Mensch Zellen hat) und einem Gewicht von ca. 3
kg. Die Bakterien bilden unter normalen Bedingungen ein stabiles
Ökosystem. Ihre Aufgabe besteht neben der Verdauung darin, schädliche
krankmachende Bakterien und andere Fremdstoffe im
Zaum zu halten und zu vernichten oder durch Verdrängung an den
Kontaktstellen zu verhindern, dass sie sich in der Darmwand
einnisten. Außerdem trainieren die nützlichen Darmkeime konstant die
Abwehrzellen und damit indirekt die immunologische Barriere der
Darmschleimhaut gegen Fremdkeime. Sie spalten auch Fremdeiweiße teilweise und vermindern
dadurch deren antigene Bedeutung. Das schleimhautassoziierte
Immunsystem des Darms ist in Kontakt und Abhängigkeit mit der
physiologischen Darmflora das größte Immunorgan des Körpers (rund
80% aller Abwehrzellen sitzen hier) und gleichzeitig wesentlicher
Ausgangspunkt für die Immunität des Gesamtorganismus.
Die
Besiedlung des Darms ist abhängig vom Milieu und besonders auch vom Zustand des Immunsystems. Nehmen die schädlichen Bakterien
überhand, können sie sich unverhältnismäßig schnell vermehren und
versetzen die Darmflora in eine Dysbiose. Sie setzen sich an der
Darmschleimhaut fest mit der Folge, dass die aus der Nahrung
gewonnenen Nährstoffe nicht mehr oder nur eingeschränkt über den
Blutkreislauf den Zellen zugeführt werden können. In der Konsequenz
kann noch so gute Nahrung nicht mehr ihren Zweck der vollwertigen
Ernährung des Organismus erfüllen. Trotz der Zufuhr bester
Lebensmittel und Vitalstoffe findet eine ständige Selbstvergiftung
des Körpers über den Darm statt. Durch die vorhandene Dysbiose
häufen sich giftige Stoffwechselprodukte im Darminneren sehr leicht
an. Sie durchbrechen nach einiger Zeit die Schleimhautbarriere und
gelangen ins Blut, wodurch der gesamte Stoffwechsel belastet wird.
Folge davon sind Verschlackung, Vergiftung, Verpilzung, Übersäuerung
des Körpers und Schwächung des gesamten Organismus, Hautkrankheiten,
rheumatische Erkrankungen, Depressionen und vieles mehr. Dass
pathogene Bakterien und Pilze an der Entstehung von Krebs, Asthma,
Allergien, Arteriosklerose und vielen anderen Erkrankungen beteiligt
sind, gilt heute als wissenschaftlich gesichert.
Eine symbiotische Bakterienflora ist genauso wichtig wie jedes unserer Organe.
Leider wird dies in unserer heutigen Zeit zu wenig beachtet und
sowohl dem Darm insgesamt als auch dem
Aufbau und der Pflege der Darmflora ein zu geringer Stellenwert beigemessen.
Noch ein Grund mehr für die Wichtigkeit ist der Einfluss des Darms auf das seelische Wohlbefinden: In den Darmwänden sitzen mit 100 Mio. mehr Nervenzellen als im
gesamten Rückenmark. Das "Bauchhirn" ist ein hoch komplexes
Nervensystem, das den gesamten Verdauungstrakt von der Speiseröhre
bis zum Enddarm umgibt. Es ist in seiner Funktion dem Gehirn nicht
unähnlich und nutzt praktisch dieselben Neurotransmitter wie
Serotonin (sorgt für gute Laune, reguliert Schlaf, Appetit,
Blutdruck, Schmerzwahrnehmung, hält den Darm in Bewegung) und
Dopamin (steuert die extrapyramidale Motorik, regelt die
Durchblutung der Bauchorgane). Einige der Neurotransmitter werden
sogar im Darm produziert, darunter Opiate, Dopamin, Melatonin
(steuert die innere biologische Uhr, reguliert den
Schlaf-Wach-Rythmus) und über 90% des Serotonins. Da so dem Darm als
Produktionsstätte eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von
Glücksgefühlen und Stimmungstiefs zukommt, fühlen sich Menschen mit
Darmproblemen oft bedrückt und antriebsschwach. Depressionen zeigen
sich nicht selten bei Verdauungsstörungen.